Inhalt anspringen

Stadt Coburg

Stolperstein

Meta Frankenberg, geb. Rosenthal

Inhalt

  1. Biographie
  2. Leben in Gleicherwiesen
  3. Leben in Coburg (Kaiserzeit)
  4. Leben in Coburg (Weimarer Republik)
  5. NS-Euthanasieprogramm und Ermordung
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Meta Frankenberg (ki-bearbeitet)

Meta Frankenberg kam am 12. Juni 1867 zur Welt.[1] Ihr Vater Abraham Selig Rosenthal wurde im Oktober 1828 in Gleicherwiesen (Herzogtum Meiningen)[2], ihre Mutter Fanni Rosenthal, geb. Löwentritt, am 9. Mai 1834 in Schonungen (Königreich Bayern) geboren.[3] Meta hatte zwei Geschwister:

  •  Frieda Rosenthal (geboren am 8.Mai 1869 in Gleicherwiesen)
  •  Selig Abraham Rosenthal (geboren am 9. Juni 1864 in Gleicherwiesen)[4]

Leben in Gleicherwiesen

Im Jahr 1853 lebten 188 jüdische Einwohner in Gleicherwiesen. Bis 1875 stieg ihre Zahl auf 233 Personen, womit der jüdische Bevölkerungsanteil über 42 Prozent betrug.[5] Gleicherwiesen war zu dieser Zeit ein prosperierender Marktort, in welchem jährlich vier Jahr- und Viehmärkte stattfanden. Diese Märkte zogen nicht nur zahlreiche Käufer aus der Region an, sondern boten auch Händlern vielfältige Absatzmöglichkeiten. Besonders jüdische Viehhändler ließen sich daher in größerer Zahl im Ort nieder. Die jüdische Gemeinde von Gleicherwiesen wurde bereits im Jahr 1681 gegründet. Nach über einem Jahrhundert wurde 1787 die erste Synagoge eingeweiht, die aufgrund des weiteren Zuzugs jüdischer Familien mehrfach erweitert werden musste. Schließlich wurde 1865 eine neue Synagoge errichtet. Parallel dazu entstanden weitere Einrichtungen des jüdischen Gemeindelebens: 1839 eine Mikwe, 1846/47 ein jüdischer Friedhof sowie eine jüdische Elementarschule und ein koscheres Backhaus.[6] Meta Frankenberg besuchte wohl die jüdische Elementarschule in Gleicherwiesen. Sie heiratete den Viehhändler Max Frankenberg aus Marisfeld.[7]

Leben in Coburg (Kaiserzeit)

Arthur Frankenberg im Totengedenkbuch der Stadt Coburg

Im Jahr 1890 zog Meta Frankenberg gemeinsam mit ihrem Ehemann nach Coburg.[8] Dort eröffnete Max Frankenberg mit seinem Vater Jacob und seinem Bruder Nathan eine Zweigniederlassung der bestehenden Viehhandlung. Im Sommer 1891 erwarb Max Frankenberg eine Villa in der Viktoriastraße 1.[9] Am 21. August desselben Jahres wurde der Sohn Arthur geboren.[10] Kurz darauf verlegte die Familie auch den Sitz der Coburger Firmenniederlassung in das neue Wohnhaus.[11] Am 27. Oktober 1897 kam mit Elsa (Öffnet in einem neuen Tab) das zweite Kind des Ehepaares zur Welt.[12] Nachdem Nathan Frankenberg das Unternehmen frühzeitig verlassen hatte, führten Max und Jacob Frankenberg das Geschäft weiter. 

Bereits um 1900 geriet das Unternehmen jedoch in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten. Es drohte der Verlust des Wohnhauses durch eine Zwangsversteigerung.[13] Die finanzielle Notlage und der drohende Konkurs belasteten Meta Frankenberg stark. Sie begab sich erstmals in ärztliche Behandlung in Jena.[14] m Juli 1901 verurteilte die Strafkammer Max Frankenberg wegen eines „Vergehens gegen die Konkursordnung“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten.[15] Die drohende Versteigerung des Hauses in der Viktoriastraße 1 konnte offenbar abgewendet werden, möglicherweise durch die Löschung der Firma „Gebrüder Frankenberg“ mit Hauptsitz in Themar.[16] Die Familie blieb anschließend in der Viktoriastraße 1 wohnhaft.[17] Die Geschäfte wurden nun von Max Frankenbergs Schwester Malwine Wertheimer, geborene Frankenberg, weitergeführt. Ihr Ehemann Nathan Wertheimer erhielt Prokura.[18] Max Frankenberg gründete anschließend eine Pferdehandlung.[19] Im Jahr 1909 entschloss er sich, dieses Geschäft aufzugeben und fortan als selbständiger Kaufmann tätig zu sein. Zugleich zog die Familie in das Haus in der Kasernenstraße 1.[20] 

Während des Ersten Weltkriegs unterstützte die Familie Frankenberg mehrere wohltätige Organisationen und zeigte damit ihre Verbundenheit mit dem deutschen Kaiserreich.[21] So leistete Meta Frankenberg mindestens zwei Geldspenden zugunsten des Roten Kreuzes.[22] Ihr Sohn Arthur diente als Gefreiter im 6. Thüringischen Infanterie-Regiment Nr. 95 an der Westfront. Für Tapferkeit im Einsatz wurde er mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse sowie dem Verdienstkreuz des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Hausordens ausgezeichnet.[23] Arthur fiel im Mai 1917 in Frankreich.[24]  Sein Tod traf die Familie schwer, insbesondere Meta Frankenberg, deren psychische Gesundheit infolgedessen stark beeinträchtigt wurde.[25] Im Oktober 1918, kurz vor dem Ende des Krieges, zog die Familie in ein neues Wohnhaus in der Löwenstraße 23.[26]

Leben in Coburg (Weimarer Republik)

Wohnhaus der Familie Frankenberg in der Löwenstraße

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs veränderte sich das Leben der Coburger Juden nahezu schlagartig. Viele Menschen machten sie für die Kriegsniederlage und das daraus resultierende wirtschaftliche und politische Chaos verantwortlich. Ab 1919 wurden zunehmend Flugblätter, Zeitungsartikel, Plakate und Vorträge verbreitet, die gezielt gegen die vermeintlichen Schuldigen dieser Misere hetzten. Diese Hetzkampagnen legten den Grundstein für die späteren Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung.[27] Auch das Ehepaar Frankenberg war von den politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen dieser Jahre betroffen. Die angespannte Lage in Coburg sowie persönliche Belastungen wirkten sich zunehmend negativ auf ihre Gesundheit aus. Max Frankenberg verstarb kurz vor Weihnachten 1925 im Alter von 64 Jahren.[28] Der Verlust verschlimmerte erneut die psychischen Probleme von Meta Frankenbergs. Der Tod ihres Ehemanns verstärkte die bereits bestehenden psychischen Erkrankungen von Meta Frankenberg erheblich. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich so sehr, dass sie nach Einschätzung des behandelnden Arztes, Dr. Cramer (Öffnet in einem neuen Tab), Anfang Juni 1931 in die Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg eingewiesen werden musste.[29]

NS-Euthanasieprogramm und Ermordung

Meldekarte von Max und Meta Frankenberg

Im Zuge des sogenannten Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten wurde auch Meta Frankenberg Opfer systematischer Ermordung. In der völkisch-rassistischen Ideologie des NS-Staates galt das Leben von Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen als „lebensunwert“ und sollte durch den sogenannten „Gnadentod“ beendet werden. Neben als unheilbar geltenden Kranken und Menschen mit Behinderungen wurden im Rahmen dieses Programms auch jüdische Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeeinrichtungen gezielt erfasst und ermordet.

Am 15. April 1940 ordnete das Reichministerium des Inneren die zentrale Erfassung aller Juden in Heil- und Pflegeanstalten an.[30] Wahrscheinlich Anfang September 1940 wies das Bayerische Staatsministerium des Innern alle Pflegeanstalten an, jüdische Patientinnen und Patienten in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar bei München zu überstellen.[31]  Meta Frankenberg wurde am 14. September 1940 dorthin verlegt.[32] Die Anstalt Eglfing-Haar diente jedoch nicht als dauerhafte Einrichtung, sondern fungierte als Zwischenstation für weitere Deportationen. Zwischen Ende August 1940 und Mitte Januar 1941 wurde etwa ein Drittel der Patientinnen und Patienten aus Eglfing-Haar in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz in Oberösterreich gebracht. Am 20. September 1940 verließ ein Transport mit 95 jüdischen Frauen, darunter Meta Frankenberg, die Anstalt Eglfing-Haar – mutmaßlich mit dem Ziel Hartheim.[33] Es ist höchstwahrscheinlich, dass Meta Frankenberg unmittelbar nach ihrer Ankunft in Hartheim durch den Einsatz von Giftgas ermordet wurde.[34] 

Die nationalsozialistischen Behörden betrieben eine gezielte Geheimhaltung der Deportationen, um Widerstand in der Bevölkerung sowie internationale Aufmerksamkeit zu vermeiden. Auch gegenüber den Angehörigen wurde bewusst keine klare Auskunft erteilt.[35] Auf Anfrage des Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Coburg, Dr. Alfred Masur (Öffnet in einem neuen Tab), teilte die Anstaltsleitung in Kutzenberg lediglich mit: 

„[…], dass Sara Meta Frankenberg am 14.09.1940 in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar bei München verlegt wurde. Nach Auskunft der dortigen Anstalt wurde die oben Genannte inzwischen in eine andere Anstalt verlegt, der Name uns nicht bekannt ist [sic!]. Die Angehörigen werden von der Aufnahmeanstalt zu gegebener Zeit verständigt.“[36]

Grab- und Gedenkstein der Familie Frankenberg auf dem jüdischen Friedhof

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnermeldekarte, Frankenberg, Max und Meta.

[2]  Standesamt Stadt Römhild, 24120515201.

[3]  Standesamt Stadt Römhild, 24120525200.

[4]  Center for Jewish History: AR 10667, Gleicherwiesen Jewish Community [1924], Blatt 8.

[5]  Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR. Band II, Dresden 1991, S. 942 f.

[6]  Gleicherwiesen (Thüringen), in: https://www.xn--jdische-gemeinden-22b.de/index.php/gemeinden/e-g/732-gleicherwiesen-thueringen (Öffnet in einem neuen Tab) (aufgerufen 19.04.2024); Gleicherwiesen mit Simmershausen, in: https://www.alemannia-judaica.de/gleicherwiesen_synagoge.htm (Öffnet in einem neuen Tab) (aufgerufen 19.04.2024). 

[7]   Stadtarchiv Coburg: Todesbucheintrag Max Frankenberg vom 21. Dezember 1925 (Nr.385).

[8]   „Regierungs-Blatt für das Herzogthum Coburg“ vom 29. März 1890, S. 304.

[9]   „Coburger Zeitung“ vom 15. Juli 1891.

[10]  „Regierungsblatt für das Herzogthum Coburg“ vom 29. August 1891.

[11]  „Coburger Zeitung“ vom 13. Oktober 1891. 

[12]  „Regierungsblatt für das Herzogthum Coburg“ vom 17. November 1897.

[13]  „Coburger Zeitung“ vom 25. Juni 1901; Siehe auch: „Regierungs-Blatt für das Herzogthum Coburg“ vom 26. Juni 1901.

[14]  Fragebogen zur ärztlichen Untersuchung zwecks Aufnahme in die oberfränkische Heil- und Pflegeanstalt Bayreuth-Kutzenberg, 4. Juni 1931. StABa: Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg K61 1205.

[15]  „Coburger Zeitung“ vom 11. Juli 1901.

[16]  „Regierungsblatt für das Herzogthum Coburg“ vom 29. Januar 1902.

[17]  Adressbuch für die Herzogl. Residenzstadt Coburg, Ausgabe 1903, Coburg 1903, S.131.

[18]  „Coburger Zeitung“ vom 5. Januar 1902.

[19]  Adressbuch der Stadt Coburg, Adreß-Buch für die Herzogliche Residenzstadt Coburg, Ausgabe 1903, Coburg 1903, S. 131; Siehe auch: Adreß-Buch für die Herzogliche Residenzstadt Coburg, Ausgabe 1905, S. 20, 136. 

[20]  Adressbuch für die Herzogl. Residenzstadt Coburg, Ausgabe 1909, Coburg 1909, S. 22.

[21]  „Coburger Zeitung“ vom 20. September 1914; Siehe auch: „Coburger Zeitung“ vom 20. Dezember 1914; Siehe auch: „Coburger Zeitung“ vom 25. August 1915.

[22]  „Coburger Zeitung“ vom 14. April 1915; Siehe auch: „Coburger Zeitung“ vom 20. Juni 1915. 

[23]  Gedenkbuch der Gefallenen der Stadt Coburg im Weltkrieg 1914-1918, Coburg 1919, Bl. 66; Siehe auch: „Coburger Zeitung“ vom 20. August 1916.

[24]  Stadtarchiv Coburg: Gedenkbuch der Gefallenen der Stadt Coburg im Weltkrieg 1914-1918, Coburg 1919, Bl. 66; Siehe auch: „Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg“ vom 20. Juni 1917.

[25]  Fragebogen zur ärztlichen Untersuchung zwecks Aufnahme in die oberfränkische Heil- und Pflegeanstalt Bayreuth-Kutzenberg, 4. Juni 1931. StABa: Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg K61 1205.

[26]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnermeldekarte, Frankenberg, Max und Meta.

[27]  Fromm; Hubert: Der Antisemitismus von 1919 bis 1942, in: Hubert Fromm (Hrsg.): Die Coburger Juden. Geduldet – Geächtet –Vernichtet, 3.Aufl., Coburg 2012, S.1-138, hier S.1-37.

[28]  „Coburger Zeitung“ vom 22. Dezember 1925; Siehe auch: Stadtarchiv Coburg, Einwohnermeldekarte, Frankenberg, Max und Meta.

[29]  Meldebogen, Frankenberg Meta. StABa: Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg K61 1205; Siehe auch: Fragebogen zur ärztlichen Untersuchung zwecks Aufnahme in die oberfränkische Heil- und Pflegeanstalt Bayreuth-Kutzenberg, 4. Juni 1931. StABa: Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg K61 1205.

[30]  Karl, Eva: „Coburg voran!“. Mechanismen der Macht – Herrschen und Leben in der „ersten nationalsozialistischen Stadt Deutschlands“, Regensburg 2025, S.736; Siehe auch: Friedländer, Henry: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, übersetzt v. Johanna Friedmann, Martin Richter und Barbara Schaden, Berlin 1997, S.431-433.

[31]  Friedländer: Der Weg zum NS-Genozid, S.434; Siehe auch: Axmann, Rainer: „… er ist hier gut angekommen.“ Die Geschichte 60 Ermordeter aus dem Coburger Land als Opfer des sogenannten „Euthanasie-Programmes“ aus der Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 39 (1994), S. 155-180, hier S.156f.

[32]  Meldebogen, Frankenberg Meta. StABa: Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg K61 1205; Siehe auch: Karl: „Coburg voran!“, S.736.

[33]  Direktion der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar an die Direktion der Heil- und Pflegeanstalt, 21. Oktober 1940. StABa: Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg K61 1205; Siehe auch: Richarz, Bernhard: Heilen, Pflegen, Töten. Zur Alltagsgeschichte einer Heil- und Pflegeanstalt bis zum Ende des Nationalsozialismus, Göttingen 1987, S.154-156; Tabelle mit den Transporten: Ebd. S.155; Siehe auch: Axmann: Geschichte, S.177.

[34]  Die Tötung der Patientinnen und Patienten in der Anstalt Hartheim durch den Einsatz von Gas ist durch zeitgenössische Zeugenaussagen belegt, siehe hierzu: Klee, Ernst: „Euthanasie“ im NS-Staat. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, Frankfurt a.M. 1983, S.138f., S.141, S.148f.

[35]  Richarz: Heilen, S.160; Siehe auch: Klee: „Euthanasie“, S.166-170, S.314-317.

[36]  Alfred Masur an die Direktion der Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg, 15. Oktober 1940. StABa: Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg K61 1205; Siehe auch: Direktion der Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg an die jüdische Kultusvereinigung, 26. Oktober 1940. StABa: Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg K61 1205.

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Meta Frankenberg, geb. Rosenthal, hat Gaby Schuller übernommen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Stadt Coburg
  • Städtische Sammlungen Coburg,o.Inv.-Nr.
  • Christian Boseckert
  • Stadtarchiv Coburg
  • Christian Boseckert
  • Stadt Coburg