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Biographie
Marianne Alkan kam am 2. Mai 1913 in Coburg zur Welt.[1] Ihr Vater Reinhold Alkan (Öffnet in einem neuen Tab) wurde am 30. April 1878 in Coburg, ihre Mutter Johanna Alkan, geborene Loebenstein (Öffnet in einem neuen Tab), am 30. Juli 1889 in Mühlhausen (Thüringen) geboren. Senta hatte eine Schwester:
- Senta Alkan (Öffnet in einem neuen Tab) (geboren am 8. August 1911)
Wachsender Antisemitismus
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs veränderte sich die gesellschaftliche Situation der jüdischen Bevölkerung in Coburg spürbar. Antisemitische Einstellungen, die bereits im Kaiserreich verbreitet gewesen waren, erhielten durch die militärische Niederlage, die Folgen des Versailler Vertrags sowie die politischen und wirtschaftlichen Krisenjahre neue Nahrung. In Teilen der Bevölkerung wurden Juden fälschlicherweise als Mitverantwortliche für die Niederlage und die schwierige Nachkriegslage betrachtet. Dies war ein Vorwurf, der sich in der antisemitischen „Dolchstoßlegende“ widerspiegelte.
Bereits ab 1919 sind in Coburg vermehrt antisemitische Äußerungen und Agitationen in Flugblättern, Zeitungsartikeln, Plakaten und öffentlichen Vorträgen nachweisbar. Diese Formen der Propaganda trugen dazu bei, ein Klima zu schaffen, in dem spätere Diskriminierungen und Gewaltakte leichter Anschluss fanden.
Einen deutlichen Einschnitt bildete der kommunalpolitische Erfolg der NSDAP in Coburg im Jahr 1929, als die Partei bei den Stadtratswahlen die stärkste Fraktion stellte. In der Folge häuften sich Berichte über Sachbeschädigungen an jüdischem Eigentum sowie Übergriffe auf einzelne jüdische Bürgerinnen und Bürger. Angehörige der jüdischen Gemeinde reagierten auf solche Angriffe unter anderem mit Anzeigen und Klagen. Die überlieferten Gerichtsakten zeigen jedoch, dass diese rechtlichen Schritte nur selten zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation führten.
Die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde ging in dieser Zeit spürbar zurück: Während 1925 noch 316 Personen gezählt wurden, waren es 1933 nur noch 233. Neben wirtschaftlichen Gründen spielten für diesen Rückgang auch Wegzüge aufgrund der zunehmenden antisemitischen Anfeindungen eine Rolle.[2]
Marianne Alkan erlebte diese Entwicklungen während ihrer Kindheit und Jugend. Sie besuchte ab etwa 1919 in Coburg die Schule. Die Erfahrungsberichte jüdischer Schülerinnen und Schüler dieser Zeit sind uneinheitlich: Einige berichten, sie hätten bis 1933 kaum antisemitische Anfeindungen erlebt, andere schildern Ausgrenzung, Isolation oder offene Feindseligkeiten – sowohl durch Mitschüler als auch durch Lehrkräfte.[3] Ob Marianne Alkan persönlich derartige Erfahrungen machte, lässt sich anhand der vorhandenen Quellen nicht belegen.
NS-Zeit
Im Jahr 1933 erlebte Marianne Alkan die sich rasch verschärfende Ausgrenzung von Juden aus dem öffentlichen Leben unmittelbar mit. Bereits am 1. April 1933 wurde im gesamten Deutschen Reich ein von der NSDAP organisierter, eintägiger Boykott jüdischer Geschäfte, Kanzleien und Arztpraxen durchgeführt. Auch die Praxis ihres Vaters war davon betroffen.[4]
Wenige Wochen später trat die „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen“ vom 22. April 1933 in Kraft. Dieses Gesetz schloss jüdische Ärztinnen und Ärzte systematisch von der Behandlung von Kassenpatienten aus.[5] Auch Reinhold Alkan verlor durch diese Maßnahme seine kassenärztliche Zulassung und damit einen wesentlichen Teil seiner Patienten. Seine ärztliche Tätigkeit beschränkte sich fortan auf die Behandlung privater Patienten sowie von jüdischen Patientinnen und Patienten, soweit dies im Rahmen der verbliebenen rechtlichen Möglichkeiten zulässig war.
Diese frühen staatlich verordneten Einschränkungen jüdischer Berufsausübung stellten einen klaren Bruch mit dem Gleichheitsgrundsatz dar und waren Teil der gezielten Entrechtung jüdischer Bürger im Deutschen Reich.
Die politische Entwicklung und insbesondere die berufliche Diskriminierung ihres Vaters hatten tiefgreifende Auswirkungen auf Marianne Alkan. Infolge dieser Ereignisse entschied sie sich, Deutschland zu verlassen. Mit Unterstützung ihrer Eltern emigrierte sie im August 1933 nach London.[6] Die Umstände ihrer Ausreise, etwa die Visabeschaffung, mögliche Unterstützung durch Hilfsorganisationen oder persönliche Kontakte, sind bislang nicht dokumentiert.
Flucht
Nach ihrer Ankunft in Großbritannien im August 1933 ließ sich Marianne Alkan zunächst in London nieder. Dort qualifizierte sie sich im medizinisch-therapeutischen Bereich weiter und war spätestens im Jahr 1936 als Krankengymnastin ("physiotherapist") tätig.[7]
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war Marianne Alkan im Norfolk and Norwich Hospital in Norwich, England, beschäftigt. Sie arbeitete dort als Diplom-Masseurin, ein zu dieser Zeit in Großbritannien anerkannter Berufsabschluss im Bereich der physikalischen Therapie. Sie war im dortigen Schwesternwohnheim untergebracht, wie es für alleinstehende Krankenhausangestellte häufig üblich war.[8]
Nach Kriegsende kehrte sie nach London zurück. Dort eröffnete sie nach derzeitiger Quellenlage eine eigene Praxis für Physiotherapie, was auf eine dauerhafte berufliche Etablierung schließen lässt.[9] Die Dauer des Praxisbetriebs und ihre Position innerhalb der medizinischen Fachkreise konnten bisher nicht näher belegt werden.
Marianne Alkan blieb nach bisherigem Kenntnisstand unverheiratet. Sie verstarb am 7. Juli 1992 im Alter von 79 Jahren.[10] Sie wurde auf dem St. John’s Churchyard in Caroy bei Bracadale auf der schottischen Insel Skye beigesetzt.[11]
Quellen- und Literaturverzeichnis
[1] "Coburger Zeitung" vom 15.05.1913.
[2] Zusammenfassung von Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001.
[3] Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001, S. 247 (Beispiel: Esther Hirschfeld (Öffnet in einem neuen Tab)); S. 252f. (Beispiel: Hildegard Reinstein (Öffnet in einem neuen Tab)); S. 266f. (Beispiel: Max G. Löwenherz); S. 287 (Beispiel: Hans Morgenthau (Öffnet in einem neuen Tab)); S. 292 (Beispiel: Gertrude Mayer); S. 307 (Beispiel: Siegbert Kaufmann (Öffnet in einem neuen Tab)).
[4] "Coburger National-Zeitung" vom 31.03.1933.
[5] RGBl. I 1933, S. 222.
[6] Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Alkan, Marianne.
[7] Wellcome Library; London, England; Medical Gymnastics; Referenznummer: sa/csp/d/2/14; Wellcome Library; London, England; CSMMG and CSP; Referenznummer: sa/csp/d/1/1/5.
[8] The National Archives; Kew, London, England; 1939 Register; Referenz: RG 101/6522K
[9] Wellcome Library; London, England; CSMMG and CSP; Referenznummer: sa/csp/d/1/1/6
[10] Marianne Alkan, in. Findagrave (https://de.findagrave.com/memorial/238587002/marianne-alkan (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 15.08.2024.
[11] Ebd.
Patenschaft
Die Patenschaft über den Stolperstein von Marianne Alkan haben Jonathan und Janet Isserlin übernommen.
