Inhalt anspringen

Stadt Coburg

Stolperstein

Senta Alkan

Inhalt

  1. Biographie
  2. Wachsender Antisemitismus
  3. Ausbildung und Flucht
  4. Heirat
  5. Weiteres Leben
  6. Tod
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Senta Alkan (ki-bearbeitet)

Senta Alkan kam am 8. August 1911 in Coburg zur Welt.[1] Ihr Vater Reinhold Alkan (Öffnet in einem neuen Tab) wurde am 30. April 1878 in Coburg, ihre Mutter Johanna Alkan, geborene Loebenstein (Öffnet in einem neuen Tab), am 30. Juli 1889 in Mühlhausen (Thüringen) geboren. Senta hatte eine Schwester:

Wachsender Antisemitismus

Wohnhaus der Familie Alkan in der Lossaustraße

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs veränderte sich die gesellschaftliche Situation der jüdischen Bevölkerung in Coburg spürbar. Antisemitische Einstellungen, die bereits im Kaiserreich verbreitet gewesen waren, erhielten durch die militärische Niederlage, die Folgen des Versailler Vertrags sowie die politischen und wirtschaftlichen Krisenjahre neue Nahrung. In Teilen der Bevölkerung wurden Juden fälschlicherweise als Mitverantwortliche für die Niederlage und die schwierige Nachkriegslage betrachtet. Dies war ein Vorwurf, der sich in der antisemitischen „Dolchstoßlegende“ widerspiegelte.

Bereits ab 1919 sind in Coburg vermehrt antisemitische Äußerungen und Agitationen in Flugblättern, Zeitungsartikeln, Plakaten und öffentlichen Vorträgen nachweisbar. Diese Formen der Propaganda trugen dazu bei, ein Klima zu schaffen, in dem spätere Diskriminierungen und Gewaltakte leichter Anschluss fanden.

Einen deutlichen Einschnitt bildete der kommunalpolitische Erfolg der NSDAP in Coburg im Jahr 1929, als die Partei bei den Stadtratswahlen die stärkste Fraktion stellte. In der Folge häuften sich Berichte über Sachbeschädigungen an jüdischem Eigentum sowie Übergriffe auf einzelne jüdische Bürgerinnen und Bürger. Angehörige der jüdischen Gemeinde reagierten auf solche Angriffe unter anderem mit Anzeigen und Klagen. Die überlieferten Gerichtsakten zeigen jedoch, dass diese rechtlichen Schritte nur selten zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation führten.

Die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde ging in dieser Zeit spürbar zurück: Während 1925 noch 316 Personen gezählt wurden, waren es 1933 nur noch 233. Neben wirtschaftlichen Gründen spielten für diesen Rückgang auch Wegzüge aufgrund der zunehmenden antisemitischen Anfeindungen eine Rolle.[2]

In dieser Zeit ging Senta Alkan zur Schule. Sie besuchte dabei das Gymnasium Casirmiranum und machte 1930 ihr Abitur, um Medizin studieren zu können. Aufgrund ihrer guten Leistungen wurde sie von der mündlichen Prüfung befreit.[3] Die Erfahrungsberichte jüdischer Schülerinnen und Schüler dieser Zeit sind uneinheitlich: Einige berichten, sie hätten bis 1933 kaum antisemitische Anfeindungen erlebt, andere schildern Ausgrenzung, Isolation oder offene Feindseligkeiten – sowohl durch Mitschüler als auch durch Lehrkräfte.[4] Ob Senta Alkan persönlich derartige Erfahrungen machte, lässt sich anhand der vorhandenen Quellen nicht belegen.

Daneben war Senta sportlich aktiv. Sie trat der Wintersportabteilung des VfB Coburg bei und nahm für Coburg an mindestens einem Ski-Wettbewerb in Lauscha (Thüringen) teil. Dort erreichte sie den 4. Platz.[5]

Ausbildung und Flucht

Studierenden-Meldekarte für Senta Alkan an der Universität Leipzig

Senta Alkan begann Anfang der 1930er Jahre ein Medizinstudium an den Universitäten Würzburg, Hamburg und Leipzig.[6] In dieser Zeit lag der Anteil jüdischer Studierender an deutschen Hochschulen bei etwa 3,7 Prozent, während ihr Bevölkerungsanteil im Reich rund 0,9 Prozent betrug.[7] Diese überproportionale Präsenz ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, darunter die starke Bildungsorientierung jüdischer Familien sowie die vergleichsweise hohe Repräsentanz im städtischen Bildungsbürgertum. Auffällig war zudem ein im Vergleich zur nichtjüdischen Studentenschaft höherer Frauenanteil unter jüdischen Studierenden.

Die rechtliche und berufliche Situation änderte sich 1933 grundlegend. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 begann die nationalsozialistische Regierung unmittelbar, jüdische Studierende und Akademiker systematisch auszugrenzen. Mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ vom 25. April 1933 wurde die Zahl jüdischer Studierender durch eine Quote stark beschränkt.[8] Viele von ihnen wurden in den folgenden Semestern nicht mehr zu Prüfungen zugelassen und mussten ihr Studium abbrechen. Für jüdische Medizinerinnen und Mediziner verschärfte sich die Lage zusätzlich durch die „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen“ vom 22. April 1933. Diese entzog den meisten jüdischen Ärzten die kassenärztliche Zulassung, wodurch sie den Großteil ihrer Patientenschaft verloren und ihre Tätigkeit auf Privatpatienten und Mitglieder der jüdischen Gemeinden beschränkt wurde.[9] 

Senta Alkan hatte ihr Studium in Leipzig bereits nach dem Wintersemester 1932/33 beendet. Im Februar 1933 verließ sie die Universität, um ihre Ausbildung im Ausland fortzusetzen.[10] Sie wechselte an die University of Bristol in Großbritannien, wo sie 1936 ihre Promotion im Fach Medizin mit Auszeichnung, unter anderem in den Disziplinen Chirurgie und Geburtshilfe, abschloss.[11]

Heirat

Im Frühling 1938 heiratete Senta Alkan den Arzt Bruno Isserlin, den sie bei ihrem Studium an der Universität Bristol kennenlernte.[12] Er war ebenfalls Jude und wurde am 18. Februar 1912 in Frankfurt am Main geboren.[13] Ihre Schwiegereltern hießen Dr. Max Isserlin, welcher in Bad Soden eine israelitische Kuranstalt betrieb, und Regina Isserlin, geborene Ber. Das frischvermählte Ehepaar hatte zwei Kinder.

Weiteres Leben

Das Ehepaar Isserlin ließ sich nach seiner Heirat in Bristol nieder. Senta Isserlin arbeitete dort zunächst im Winford Hospital, einer 1930 eröffneten orthopädischen Klinik südlich der Stadt.[14] Später wechselte sie an das Bristol Royal Infirmary, ein traditionsreiches Lehrkrankenhaus, das eng mit der medizinischen Fakultät der Universität Bristol verbunden war.[15] Ihren Angaben zufolge war sie dort im Bereich der Frauenheilkunde und Geburtshilfe tätig.[16] Auch ihr Ehemann, Bruno Isserlin, konnte in seinem Beruf arbeiten: Zunächst war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pathologie an der Universität Bristol,[17]  anschließend ebenfalls an der Bristol Royal Infirmary beschäftigt.[18]

Der berufliche Neubeginn beider Ärzte war Teil der allgemeinen Erfahrung jüdischer Emigranten, die nach 1933 nach Großbritannien kamen. Für die Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit war eine gesonderte Zulassung durch die britischen Behörden erforderlich, was für viele Geflüchtete mit Prüfungen, Sprachbarrieren und zeitlich befristeten Arbeitsmöglichkeiten verbunden war. Dass es Senta und Bruno Isserlin gelang, in ihrem Berufsfeld Fuß zu fassen, war keineswegs selbstverständlich.

Ab Ende 1938 erreichten sie auch die unmittelbaren Folgen der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland: Sentas Eltern, Reinhold und Johanna Alkan, flohen nach England. Ihre Ausreise war nur möglich, nachdem sie ihr Haus in Coburg verkauft hatten – ein Schritt, der in den Kontext der erzwungenen „Arisierung“ jüdischen Eigentums einzuordnen ist.[19] Im Laufe des Jahres 1939 folgten auch Brunos Eltern und seine Schwester nach Bristol. Sie lebten zunächst zeitweise im Haushalt des Ehepaars Isserlin, bevor sie sich selbstständig niederließen.[20]

Tod

Nach der Geburt ihres zweiten Kindes im Jahr 1944 verschlechterte sich Senta Isserlins Gesundheitszustand, sodass sie ihre berufliche Tätigkeit nicht mehr fortsetzen konnte. Am 24. Januar 1949 starb sie im Alter von 37 Jahren infolge einer unbeabsichtigten Medikamentenüberdosierung.[21] Sie wurde auf dem Marfleet Lane Jewish Cemetery in Kingston upon Hull beigesetzt.[22]

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]    "Coburger Zeitung" vom 25.08.1911.

[2]    Zusammenfassung von Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001. 

[3]    "Coburger Zeitung" vom 24.03.1930; Siehe auch: Staatsarchiv Coburg, Casimirianum 1179, S. 13f.

[4]    Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001, S. 247 (Beispiel: Esther Hirschfeld (Öffnet in einem neuen Tab)); S. 252f. (Beispiel: Hildegard Reinstein (Öffnet in einem neuen Tab)); S. 266f. (Beispiel: Max G. Löwenherz); S. 287 (Beispiel: Hans Morgenthau (Öffnet in einem neuen Tab)); S. 292 (Beispiel: Gertrude Mayer); S. 307 (Beispiel: Siegbert Kaufmann (Öffnet in einem neuen Tab)). 

[5]    "Coburger Zeitung" vom 17.12.1928. 

[6]    Bundesarchiv, Abteilung R (Deutsches Reich), Liste der jüdischen Einwohner des Deutschen Reiches 1933-1945; Universitätsarchiv Leipzig, Queastur000756. 

[7]    Datenhandbuch zur Deutschen Bildungsgeschichte, Bd. I: Hochschulen, 1. Teil, Göttingen 1987, S. 227. 

[8]    RGBl. I 1933, S. 225. 

[9]    RGBl. I 1933, S. 222.

[10]   Universitätsarchiv Leipzig, Queastur 000756.

[11]   Medical Notes in Parliament vom 27.06.1936, S. 1326.

[12]   General Register Office United Kingdom, Bd.: 6a, S. 533; Siehe auch: Medical Notes in Parliament vom 27.06.1936, S. 1326.

[13]   Europa, Registrierung von Ausländern und deutschen Verfolgten, 1939-1947, in: Ancestry (https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/9762952:61758 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 19.08.2024; Siehe auch: Bruno Isserlin, in: AG Stolpersteine in Bad Soden (https://www.stolpersteine-in-bad-soden.de/bruno-isserlin-2/ (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 19.08.2024.

[14]   Wellcome Trust London, The Medical Directory, 1940, Referenz: B21330724_i13766363.      

[15]   Ebd.

[16]   Womans doctor´s drug death at Cottingham, 

[17]   Wellcome Trust London, The Medical Directory, 1940, Referenz: B21330724_i13766363.

[18]   Ebd. 

[19]   Stadtarchiv Coburg, A 10.316, fol. 66-88; The National Archives London, 1939 Register, Referenz: RG 101/5036E; Royal College of Physicians of Ireland; Dublin, Ireland; The Medical Register; Referenznummer: TMR/1939.

[20]   The National Archives; Kew, London, England; 1939 Register; Referenz: RG 101/4976D. 

[21]   Womans doctor´s drug death at Cottingham; Dr. Senta Alkan Isserlin, in: Find A Grave (https://de.findagrave.com/memorial/270112978/senta-isserlin (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen am 24.08.2024. 

[22]   Dr. Senta Alkan Isserlin, in: Find A Grave (https://de.findagrave.com/memorial/270112978/senta-isserlin (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen am 24.08.2024. 

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Senta Alkan haben Jonathan und Janet Isserlin übernommen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Stadt Coburg
  • Christian Boseckert
  • Universitätsarchiv Leipzig Queastur 000756
  • Stadtarchiv Coburg
  • Stadt Coburg
  • Stadtarchiv Coburg
  • Stadt Coburg