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Stadt Coburg

Stolperstein

Margarethe Gutmann, verh. Goldschmidt

Inhalt

  1. Biographie
  2. Leben in Coburg
  3. NS-Zeit
  4. Aufenthalt in der Schweiz und Heirat
  5. Auswanderung in die USA
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Margarethe Gutmann (ki-bearbeitet)

Margarethe Gutmann kam am 22. Januar 1917 in Würzburg zur Welt.[1] Ihr Vater Dr. Emil Gutmann (Öffnet in einem neuen Tab) wurde am 16. Juni 1877 in Coburg geboren, ihre Mutter Sofie Gutmann (Öffnet in einem neuen Tab), geborene Grünewald, kam am 18. September 1889 in Gießen zur Welt. Margarethe hatte eine Schwester:

Leben in Coburg

Die Chirurgische und Orthopädische Klinik Gutmann in der Mohrenstraße

Margarethe Gutmann verbrachte ihr erstes Lebensjahr in Würzburg. Ihre Familie war nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in die Stadt am Main verzogen, da dort ihr Vater Emil als Stabsarzt in einem Lazarett tätig war.[2] Nach Kriegsende kehrten die Gutmanns nach Coburg zurück, wo sie bis 1914 gelebt hatten. Sie wohnten im Haus Mohrenstraße 32, wo Margarethes Vater seit 1905 eine Praxis für Chirurgie und Orthopädie betrieb.[3]

In der unmittelbaren Nachkriegszeit kam es auch in Coburg, wie in vielen Teilen Deutschlands, zu einer deutlichen Zunahme antisemitischer Stimmung. Der militärische Zusammenbruch, die wirtschaftliche Not, politische Instabilität und die Etablierung der Weimarer Republik verstärkten vorhandene Ressentiments gegenüber der jüdischen Bevölkerung. Antisemitische Agitation verbreitete sich insbesondere über Flugblätter, Zeitungsartikel und öffentliche Veranstaltungen, in denen Juden pauschal für Kriegsniederlage, „Novemberverbrechen“ und Inflation verantwortlich gemacht wurden. Diese Entwicklungen standen im Zusammenhang mit der Erstarkung völkischer und nationalistischer Gruppierungen, die in Franken – und speziell in Coburg – besonders früh Einfluss gewannen.

Coburg spielte in der Frühphase der NS-Bewegung eine bemerkenswerte Rolle: Schon 1922 marschierte Adolf Hitler mit Anhängern durch die Stadt, und bei den Stadtratswahlen im Dezember 1929 errang die NSDAP die Mehrheit. Coburg wurde damit zur ersten Stadt mit nationalsozialistischer Verwaltung in Deutschland.

Ab diesem Zeitpunkt kam es verstärkt zu Übergriffen auf jüdische Bürgerinnen und Bürger. Diese reichten von der gezielten Beschädigung jüdischen Eigentums bis hin zu körperlichen Angriffen auf Einzelpersonen. Betroffene versuchten, sich mit rechtlichen Mitteln – etwa durch Strafanzeigen oder Zivilklagen – gegen die Angriffe zur Wehr zu setzen. Diese Maßnahmen blieben jedoch weitgehend wirkungslos, da Justiz, Verwaltung und Polizei zunehmend von antisemitischen Einstellungen durchdrungen waren oder gegenüber der NSDAP kapitulierten.

Die sich verschlechternde Sicherheitslage führte in den frühen 1930er-Jahren zu einer allmählichen Abwanderung von Jüdinnen und Juden aus Coburg. Die Gründe für diesen Rückgang lagen sowohl in wachsendem gesellschaftlichem Druck und wirtschaftlicher Ausgrenzung als auch in der Furcht vor weiterer Radikalisierung.[4]

Margarethe Gutmann erlebte diese Entwicklung während ihrer Kindheit und Jugend. Sie besuchte ab etwa 1923 eine Schule in Coburg. Antisemitismus im Schulalltag war nicht einheitlich ausgeprägt: Während einige jüdische Schülerinnen und Schüler bis 1933 kaum antisemitische Anfeindungen erfuhren, berichten andere von Diskriminierung, Isolation und offenen Feindseligkeiten – sowohl durch Mitschüler als auch durch Lehrkräfte. Diese ambivalente Erfahrungslage spiegelt sich auch in biografischen Studien wider, etwa in den Arbeiten von Hubert Fromm.[5]  

NS-Zeit

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im Januar 1933 war Margarethe Gutmann unmittelbar mit den zunehmenden Repressionen gegen jüdische Ärzte konfrontiert. Bereits im Frühjahr 1933 kam es im Rahmen des reichsweiten Boykotts jüdischer Einrichtungen zu Aktionen gegen die orthopädische Klinik ihres Vaters Emil.[6] 

Ein bedeutender Einschnitt in das berufliche Leben ihres Vaters folgte durch die Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen vom 22. April 1933.[7] Diese schloss sogenannte „nicht-arische“ Ärzte systematisch von der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten aus. Emil Gutmann verlor in diesem Zuge seine kassenärztliche Zulassung und durfte fortan nur noch privat zahlende oder jüdische Patientinnen und Patienten behandeln. Die Praxis war dadurch erheblich in ihrer wirtschaftlichen Grundlage gefährdet, was sich auch auf die finanzielle Situation der Familie auswirkte.

Diese Politik der Ausgrenzung von Juden aus dem Gesundheitssystem betraf auch Margarethe. Nach dem Schulabschluss plante sie, ein Medizinstudium zu beginnen – ein Vorhaben, das jüdischen Bewerberinnen in Deutschland spätestens ab Mitte der 1930er-Jahre kaum noch möglich war. Antisemitische Zulassungsbeschränkungen, soziale Ausgrenzung und die zunehmende Diskriminierung jüdischer Studierender an deutschen Hochschulen führten dazu, dass viele jüdische Jugendliche alternative Wege im Ausland suchten. Margarethe Gutmann entschied sich 1935 für ein Medizinstudium in Zürich in der Schweiz, wo die politischen Bedingungen zu diesem Zeitpunkt noch eine akademische Ausbildung für jüdische Geflüchtete ermöglichten.[8] 

Aufenthalt in der Schweiz und Heirat

Aufgrund der Studienplatzzusage verließ Margarethe Gutmann ihre Heimatstadt Coburg und konnte sich damit dem wachsenden politischen und gesellschaftlichen Druck entziehen, dem jüdische Familien im nationalsozialistischen Deutschland zunehmend ausgesetzt waren. Die Schweiz war zu diesem Zeitpunkt eines der wenigen Länder, in dem Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich noch ein Studium aufnehmen konnten. Allerdings war auch dort der Aufenthalt häufig befristet und von politischen Debatten über Flüchtlinge begleitet.

Während ihres Studiums in Zürich lernte Margarethe Gutmann den Chemiker Alfred Goldschmidt kennen, der ebenfalls jüdischer Herkunft war und am 23. Februar 1914 in Zürich geboren wurde. Das Paar heiratete am 14. Dezember 1938.[9] Die gemeinsame Tochter kam 1950 zur Welt. Ob Margarethe Gutmann ihr Medizinstudium abschließen konnte, lässt sich aufgrund der derzeit verfügbaren Quellen nicht eindeutig feststellen.

Im April 1941 emigrierte das Ehepaar Goldschmidt über Lissabon und Havanna in die Vereinigten Staaten – eine Route, die in dieser Phase des Zweiten Weltkriegs von zahlreichen jüdischen Flüchtlingen genutzt wurde und die noch nutzbar war.[10] Portugal und Kuba fungierten dabei als Durchgangsstationen, bevor eine Weiterreise in die USA möglich war. Die Umstände dieser Emigration, einschließlich Visaformalitäten und Unterstützung durch Hilfsorganisationen, sind für die Familie Goldschmidt bisher nicht detailliert dokumentiert.

Auswanderung in die USA

Über die konkreten Beweggründe für die Emigration von Margarethe und Alfred Goldschmidt in die Vereinigten Staaten liegen derzeit keine persönlichen Zeugnisse vor. Nachweislich erreichte das Ehepaar von Havanna aus im Juni 1941 den Hafen von New York.[11]

In den USA ließen sich Margarethe und Alfred Goldschmidt zunächst im New Yorker Stadtteil Bronx nieder.[12] Ob Margarethe unmittelbar nach ihrer Ankunft beruflich tätig war, lässt sich aus den vorhandenen Quellen nicht eindeutig feststellen. In späteren amtlichen Dokumenten, wie etwa der US-Volkszählung oder Unterlagen der Einwanderungsbehörde wird sie als „housewife“ (Hausfrau) geführt – eine Bezeichnung, die in der Nachkriegszeit vielfach unabhängig von tatsächlicher Berufstätigkeit verwendet wurde, insbesondere für verheiratete Frauen.[13] 

Nach einiger Zeit verließ das Ehepaar New York und siedelte sich in Oakland, Kalifornien, an. Dort konnte Alfred Goldschmidt wieder in seinem erlernten Beruf als Chemiker arbeiten.[14] 1948 wurde Margarethe Goldschmidt in den Vereinigten Staaten eingebürgert.[15] 

Margarethe Goldschmidt verbrachte ihre letzten Lebensjahrzehnte in El Cerrito, Kalifornien. Ihr Ehemann Alfred starb dort im Jahr 1984 im Alter von 70 Jahren.[16]  Margarethe überlebte ihn um mehr als zwei Jahrzehnte und verstarb am 16. Juni 2006 im Alter von 89 Jahren.[17]  Sie wurde im Rolling Hills Memorial Park in Richmond, Kalifornien, beigesetzt – an der Seite ihrer Eltern Emil und Sophie Gutmann sowie ihrer Schwester Helene, die ebenfalls in die Vereinigten Staaten emigriert waren.[18]

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]     Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Gutmann, Margarethe.

[2]     Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Abteilung IV: Kriegsarchiv. Kriegsstammrollen, 1914-1918, Bd. 20342, Kriegsrangliste.

[3]     Ebd.; Siehe auch: Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Gutmann, Emil und Sophie. 

[4]     Eva Karl, Coburg voran!“ Mechanismen der Macht – Herrschen und Leben in der „ersten nationalsozialistischen Stadt Deutschlands“, Regensburg 2025, S. 39-172.

[5]     Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001, S. 247 (Beispiel: Esther Hirschfeld (Öffnet in einem neuen Tab)); S. 252f. (Beispiel: Hildegard Reinstein (Öffnet in einem neuen Tab)); S. 266f. (Beispiel: Max G. Löwenherz); S. 287 (Beispiel: Hans Morgenthau (Öffnet in einem neuen Tab)); S. 292 (Beispiel: Gertrude Mayer); S. 307 (Beispiel: Siegbert Kaufmann (Öffnet in einem neuen Tab)). 

[6]     "Coburger National-Zeitung" vom 31.03.1933.

[7]     RGBl, I 1933, S. 222.

[8]     Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Gutmann, Margarethe; Siehe auch: Deutsche National Bibliothek Bestand: 65; Signatur: ZB 501; Lfd.-Nr. 28.

[9]     The National Archives at San Francisco; San Bruno, California; Petitions For Naturalization, 8/6/1903 - 12/29/1911; NAI-Nummer: 605504; Titel des Aufzeichnungssatzes: Records of District Courts of the United States, 1685-2009; Nummer des Aufzeichnungssatzes: 21.

[10]    Schweizerisches Bundesarchiv, E 2175 - 2. Schweizerisches Auswanderungsamt und Auswanderungsbüro. Überseeische Auswanderungen aus der Schweiz, 1910-1953.

[11]    The National Archives at San Francisco; San Bruno, California; Petitions For Naturalization, 8/6/1903 - 12/29/1911; NAI-Nummer: 605504; Titel des Aufzeichnungssatzes: Records of District Courts of the United States, 1685-2009; Nummer des Aufzeichnungssatzes: 21.

[12]    The National Archives at San Francisco, Petitions For Naturalization, 8/6/1903 - 12/29/1911; NAI-Nummer: 605504; Titel des Aufzeichnungssatzes: Records of District Courts of the United States, 1685-2009; Nummer des Aufzeichnungssatzes: 21.

[13]    Ebd.; Siehe auch: National Archives at Washington, DC, Seventeenth Census of the United States, 1950; Jahr: 1950; Gebiet der Volkszählung: Oakland, Alameda, California; Rolle: 5648; Seite: 15; Zählungsdistrikt: 67-283.

[14]    National Archives at Washington, Seventeenth Census of the United States, 1950; Jahr: 1950; Gebiet der Volkszählung: Oakland, Alameda, California; Rolle: 5648; Seite: 15; Zählungsdistrikt: 67-283.

[15]    The National Archives in Washington, DC, Index to Naturalization in the U.S. District Court For the Northern District of California, 1852 - Ca. 1989 (M1744), Seriennummer des Mikrofilms: M1744, Mikrofilmrolle: 59.

[16]    Social Security Administration; Washington D.C., Social Security Death Index, Master File.

[17]    Ebd.

[18]    https://de.findagrave.com/memorial/252778845/margaret-goldschmidt (Öffnet in einem neuen Tab) (aufgerufen am 07.07.2025).

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Margarethe Gutmann haben Marianne Skibbe und Volker Sprinz übernommen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

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