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Stadt Coburg

Stolperstein

Alfred Wertheimer

Inhalt

  1. Biographie
  2. Jugendjahre und Wachsender Antisemitismus
  3. NS-Zeit
  4. Flucht
  5. Leben in den Vereinigten Staaten
  6. Besuch in Coburg und Tod
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Alfred Wertheimer (ki-bearbeitet)

Alfred Wertheimer kam am 16. November 1929 Coburg in Coburg zur Welt.[1] Sein Vater Julius Wertheimer (Öffnet in einem neuen Tab) wurde am 27. Mai 1886 in Themar (Herzogtum Meiningen), seine Mutter Käthe Wertheimer, geborene Meinstein (Öffnet in einem neuen Tab), am 19. Februar 1896 in Zirndorf (Königreich Bayern) geboren.[2] Alfred hatte einen Bruder:

Jugendjahre und Wachsender Antisemitismus

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs veränderte sich das Leben der Coburger Juden nahezu schlagartig. Viele Menschen machten sie für die Kriegsniederlage und das daraus resultierende wirtschaftliche und politische Chaos verantwortlich. Ab 1919 wurden zunehmend Flugblätter, Zeitungsartikel, Plakate und Vorträge verbreitet, die gezielt gegen die vermeintlichen Schuldigen dieser Misere hetzten. Diese Hetzkampagnen legten den Grundstein für die späteren Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung. Mit der Machtübernahme der Coburger Nationalsozialisten im Jahr 1929 begann eine erste Welle der Gewalt: Die Zerstörung jüdischen Eigentums und körperliche Angriffe auf einzelne jüdische Bürger nahmen drastisch zu. Die jüdische Gemeinschaft versuchte sich in dieser Zeit mit Anzeigen und Gerichtsprozessen zu wehren, doch ihre Bemühungen blieben erfolglos. Viele Juden sahen sich schließlich gezwungen, die Vestestadt zu verlassen. Zählte die jüdische Gemeinde 1925 noch 316 Mitglieder, so war ihre Zahl bis 1933 auf 233 gesunken.[3]

Die Familie Wertheimer blieb während dieser Zeit von antisemitischen Gewalttaten und Sachbeschädigungen verschont. Alfred Wertheimer lebte mit seinen Eltern und seinem Bruder in einer Wohnung im Steinweg 53. Dort betrieb sein Vater eine eigene Metzgerei.[4]

NS-Zeit

Wohnhaus der Familie Wertheimer im Steinweg

Nach der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 wurden jüdische Schüler zunehmend diskriminiert und aus dem öffentlichen Schulwesen verdrängt. Inwieweit Alfred Wertheimer davon konkret betroffen war, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. 

Im März 1933 wurde sein Vater Julius Wertheimer von SA-Männern, die sich als „Not-Polizisten“ bezeichneten, in sogenannte Schutzhaft genommen – ein Begriff, der im nationalsozialistischen Sprachgebrauch die rechtsstaatlich nicht legitimierte, willkürliche Inhaftierung von Regimegegnern und jüdischen Bürgern verschleiern sollte. Er wurde in die berüchtigte „Prügelstube“ gebracht.[5] Was er dort erleiden musste, ist nicht dokumentiert. Zeitgleich riefen die Nationalsozialisten öffentlich zum Boykott der Metzgerei auf.[6] Die Kundenzahl ging daraufhin deutlich zurück, was die wirtschaftliche Lage der Familie zunehmend gefährdete. Seit Ende der 1920er Jahre schikanierte die Coburger Polizei zunehmend jüdische Vieh-und Pferdehändler. Auf Anordnung der Bayerischen Polizei wies Polizeikommissar Oberender seine Kollegen an, unangekündigten Kontrollbesuchen in der Metzgerei von Julius Wertheimer durchzuführen und selbst geringfügige „Vergehen“ zur Anzeige zu bringen.[7]

Nach familiärer Überlieferung war es insbesondere Alfreds Mutter; Käthe Wertheimer, die ihren Ehemann zur Auswanderung drängte. Eine Emigration in die Vereinigten Staaten wurde durch Käthes Onkel, Joseph Kaltenbacher, ermöglicht, der bereits seit 1896 in den USA lebte.[8] Er übernahm einen Großteil der Organisation, stellte finanzielle Mittel bereit und erbrachte die erforderlichen Bürgschaften zur Einreise.[9]

Flucht

Im Sommer 1936 war es schließlich soweit. Der sechsjährige Alfred Wertheimer und seine Familie hatten alle notwendigen Dokumente zusammengetragen, um Deutschland zu verlassen. Julius Wertheimer verkaufte seinen Metzgerei im Steinweg und meldete sich Mitte Juni aus Coburg ab..[10] Die Familie reiste nach Hamburg, wo sie das Passagierschiff Hansa bestieg. Mit nur 20 Dollar in der Tasche erreichten sie am 2. Juli 1936 New York. Ihr Ziel war Newark, eine 9000-Einwohner-Gemeinde im Bundesstaat New York.[11] Anlässlich eines Besuches in Coburg 2014 erinnerte sich Alfred Wertheimer an seine Kindheitserfahrung der Emigration: „Als meine Mutter sagte, dass wir auswandern, war meine erste Reaktion: ich weiß gar nicht, wo Amerika überhaut ist.“[12]

Leben in den Vereinigten Staaten

Die amerikanische Volkszählung von 1940 gibt Einblick in die damaligen Lebensverhältnisse von Alfred Wertheimer und seiner Familie. Zu dieserr Zeit lebten sie in bescheidenen Verhältnissen in Brooklyn, gemeinsam mit den Verwandten seiner Mutter – darunter seine Großmutter, zwei Tanten und weitere Angehörige. Insgesamt teilten sich neun Familienmitglieder eine Wohnung.[13] Julius Werheimer hatte eine Anstellung als Schlachter bei Carmel Kosher Provision“ in Brooklyn gefunden.[14] 

Alfred Wertheimer erhielt seine erste Kamera als Geschenk von seinem Bruder Heinz (später Henry genannt). 1946 schloss er die Haaren High School in Manhattan ab und studierte anschließend ein Jahr lang Grafik am City College, bevor er an der renommierten „Cooper Union“ in New York aufgenommen wurde. Das dort kostenfreie Studium ermöglichte ihm eine Ausbildung, die er sich sonst nicht hätte leisten können. Er studierte „advertising design“ (Werbedesign) mit Kursen in Malerei, Typografie und Architektur.[15] Da der Fotokurs ausgebucht war, brachte er sich das Fotografieren autodidaktisch bei - „learning by doing“[16] Schon während seines Studiums veröffentlichte Alfred Wertheimer erste Fotografien, unter anderem in der studentischen Hochschulzeitung.[17] 

Nach seinem Abschluss absolvierte er seinen Wehrdienst.[18] Als Fotograf der US-Armee war er in Heidelberg stationiert und kehrte 1953 im Rahmen seiner Dienstzeit erstmals in seine Geburtsstadt Coburg zurück.[19] Nach seiner zweijährigen Dienstzeit arbeitete Alfred Wertheimer zunächst für den Modefotografen Tom Palumbo, bevor er sich als Fotograf selbstständig machte.[20] Er fotografierte zahlreiche Prominenten wie beispielsweise Lena Horne oder Perry Como. 1956 erhielt er einen Auftrag, der sein Leben verändern sollte. Er wurde engagiert, den bis dahin  noch weitgehend unbekannten Musiker Elvis Presley zu fotgrafieren..[21] Über einen Zeitraum von etwa drei Monaten begleitete er den jungen Künstler und fertigte über 2500 Bilder an. Diese Fotografien begründeten später seinen weltweiten Ruf als „Elvis-Fotograf“.[22]

Obwohl Alfred Wertheimer im weiteren Verlauf seiner Karriere Politiker und Prominente wie Eleanor Roosevelt, John F. Kennedy oder Richard Nixon portärtierte, blieben seine Elvis-Fotos die bekanntesten.[23] Zunächst fand die Bilder-Serie jedoch kaum Beachtung. Erst nach Presleys Tod 1977 änderte sich das schlagartig. Rückblickend erinnerte sich Alfred Wertheimer 2010 in einem Interview mit der „Times“: „For 19 years, I did not get one single phone call for an Elvis Presley photograph. But from that moment on, the phone hasn´t stopped ringing.“[24] Die plötzliche und anhaltende Nachfrage nach seinen Aufnahmen veranlasste ihn, sich erneut intensiv mit seinem Frühwerk zu beschäftigen. Er veröffentlichte mehrere Fotobände[25] und seine Bilder wurden 2010 im Rahmen einer großen Ausstellung in den gesamten Vereinigten Staaten gezeigt.[26] 

Besuch in Coburg und Tod

Eintrag Alfred Wertheimers in das Goldene Buch der Stadt Coburg

Im August 2014 kehrte Alfred nach 60 Jahre ein letztes Mal in seine Geburtsstadt zurück.[27] Während seines Aufenthalts trug er sich in das Goldene Buch Coburgs ein und besuchte unter anderem die Veste sowie die Schlösser Callenberg und Hohenstein.[28] Zuvor wohnte er noch als hochgeachteter Ehrengast dem „European Elvis Festival“ in Bad Nauheim bei – ein Ort, an dem Elvis selbst während seiner Militärzeit in Deutschland stationiert gewesen war.[29] Während seines Aufenthalts in Deutschland stürzte Alfred Wertheimer schwer, woraufhin sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechterte. Kurz nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten erlag er den Folgen des des Unfalls. Der international bekannte „Elvis-Fotograf“ starb am 19. Oktober 2014 in New York. Alfred Wertheimer, der nie verheiratet war, hinterließ keine direkten Nachkommen.[30]

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]   Schudel, Matt: Alfred Wertheimer, photographer of the young Elvis Presley, dies at 84, in: "The Washington Post" vom 25. Oktober 2014.

[2]   Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Wertheimer, Julius und Käthe.

[3]   Zusammenfassung bei Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001.

[4]   Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Wertheimer, Julius und Käthe; Siehe auch: Adreß-Buch von Coburg (Stadt und Land), Ausgabe 1931, Coburg 1931, S. 18. 

[5]   Stadtarchiv Coburg, A 8521,2, fol. 111. 

[6]   "Coburger National-Zeitung" vom 31.März 1933. 

[7]   Karl, Eva: „Coburg voran!“. Mechanismen der Macht – Herrschen und Leben in der „ersten nationalsozialistischen Stadt Deutschlands“, Regensburg 2025, S.588,776; Siehe auch: Stadtarchiv Coburg:A 10396, fol.1-11.

[8]   The National Archives in Washington, DC, Passenger Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1820-1897; NAID: M237; Records of the U.S. Customs Service; RG: 36; Siehe auch: Wagner, Katharina: “Elvis hat Nähe zugelassen, in: "Wetterauer Zeitung" vom 23. Oktober 2014.

[9]   O.A., Stolperstein für Käthe Wertheimer, in: Digitales Stadtgedächtnis (https://www.stadtgeschichte-coburg.de/blog/2020/12/08/stolperstein-fuer-kaethe-wertheimer-steinweg-53/ (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 25.09.2024.

[10]  Karl: „Coburg voran!“, S.598,776; Siehe auch: Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Wertheimer, Julius und Käthe.

[11]  The National Archives in Washington, DC; Washington, DC, USA; Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957; Mikrofilm-Seriennummer oder NAID: T715; Titel der Aufzeichnungsgruppe (RG, Record Group): Records of the Immigration and Naturalization Service, 1787-2004; RG: 85.

[12]  Alfred Wertheimer August 2014, zit. n.: Holzinger, Christina: Ehre für den Elvis-Fotografen, in: "Neue Presse Coburg" vom 21.August 2014.

[13]  United States of America, Bureau of the Census. Sixteenth Census of the United States, 1940. Washington, D.C.: National Archives and Records Administration, 1940. T627, 4,643 rolls.

[14]  Murray, Chris: Einführung, in: Alfred Wertheimer (Hrsg.): Elvis mit 21. Von New York nach Memphis, Berlin 2006, S.13-15, hier S.13; Siehe auch: Schudel: Wertheimer.

[15]  Murray: Einführung, S.13.

[16]  Alfred Wertheimer zit.n.: Wagner, Katharina: “Elvis hat Nähe zugelassen", in: "Wetterauer Zeitung" vom 23. Oktober 2014.

[17]  Colker, David: Alfred Wertheimer dies at 84; photographer captured pre-fame Elvis, in: "Los Angeles Times" vom 21. Oktober 2014.

[18]  Schudel: Wertheimer.

[19]  Holzinger: Ehre, Siehe auch: Murray: Einführung, S.13f.

[20]  Colker: Wertheimer.

[21]  Wertheimer, Alfred et Gregory Martinelli: Ein ganz normaler Auftrag, in: Alfred Wertheimer (Hrsg.): Elvis ´56. Der Beginn, übersetzt v. Walle Bengs, Hamburg 1987, S.10-13; Siehe auch: Schudel: Wertheimer.

[22]  Holzinger: Ehre.

[23]  O.A.: „Elvis-Festival als letzter großer Auftritt, in:  "Wetterauer Zeitung" vom 23. Oktober 2014.

[24]  Alfred Wertheimer 2010 zit. n.: Colker: Wertheimer.

[25]  Wertheimer: Elvis ´56. Der Beginn, Hamburg 1987 (wie Anm.21); Siehe auch: Ders.: Elvis mit 21. Von New York nach Memphis, Berlin 2006 (wie Anm. 14).

[26]  Schudel: Wertheimer.

[27]  Ungelenk, Dieter: Auf Tuchfühlung mit Elvis, in: "Neue Presse Coburg" vom 26. Juli 2014.

[28]  Holzinger: Ehre.

[29]  Ungelenk: Tuchfühlung.

[30]  Colker: Wertheimer.

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Alfred Wertheimer haben Karin und Helmut Radermacher übernommen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

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