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Biographie
Hans Klein kam am 16. November 1912 in Coburg zur Welt.[1] Sein Vater Julius Klein (Öffnet in einem neuen Tab) wurde am 4. August 1876 in Bamberg (Königreich Bayern)[2], seine Mutter Klara Klein (Öffnet in einem neuen Tab), geb. Oettinger, am 13. September 1888 in Zürich (Schweiz) geboren[3]. Hans war Einzelkind.
Jugendjahre und Wachsender Antisemitismus
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs veränderte sich die gesellschaftliche Situation der jüdischen Bevölkerung in Coburg spürbar. Antisemitische Einstellungen, die bereits im Kaiserreich verbreitet gewesen waren, erhielten durch die militärische Niederlage, die Folgen des Versailler Vertrags sowie die politischen und wirtschaftlichen Krisenjahre neue Nahrung. In Teilen der Bevölkerung wurden Juden fälschlicherweise als Mitverantwortliche für die Niederlage und die schwierige Nachkriegslage betrachtet – ein Vorwurf, der sich in der antisemitischen „Dolchstoßlegende“ widerspiegelte.
Bereits ab 1919 sind in Coburg vermehrt antisemitische Äußerungen und Agitationen in Flugblättern, Zeitungsartikeln, Plakaten und öffentlichen Vorträgen nachweisbar. Diese Formen der Propaganda trugen dazu bei, ein Klima zu schaffen, in dem spätere Diskriminierungen und Gewaltakte leichter Anschluss fanden.
Einen deutlichen Einschnitt bildete der kommunalpolitische Erfolg der NSDAP in Coburg im Jahr 1929, als die Partei bei den Stadtratswahlen die stärkste Fraktion stellte. In der Folge häuften sich Berichte über Sachbeschädigungen an jüdischem Eigentum sowie Übergriffe auf einzelne jüdische Bürgerinnen und Bürger. Angehörige der jüdischen Gemeinde reagierten auf solche Angriffe unter anderem mit Anzeigen und Klagen. Die überlieferten Gerichtsakten zeigen jedoch, dass diese rechtlichen Schritte nur selten zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation führten.
Die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde ging in dieser Zeit spürbar zurück: Während 1925 noch 316 Personen gezählt wurden, waren es 1933 nur noch 233. Neben wirtschaftlichen Gründen spielten für diesen Rückgang auch Wegzüge aufgrund der zunehmenden antisemitischen Anfeindungen eine Rolle.[4]
Hans Klein erlebte diese Entwicklungen als Kind und Jugendlicher. Er besuchte nach der Volksschule die Oberrealschule Ernestinum und schloss um 1932 mit der Mittleren Reife ab.[5] Zeitgenössische und spätere Erfahrungsberichte jüdischer Schülerinnen und Schüler aus Coburg und Umgebung fallen heterogen aus: Sie reichen von kaum berichteten Anfeindungen bis zu Ausgrenzung und offener Feindseligkeit durch Mitschüler oder Lehrkräfte.[6] Für Hans Klein selbst sind konkrete Vorfälle nicht belegt.
Für die Familie Klein deuten verschiedene Überlieferungen bisher auf keine antisemitischen und gewalttätigen Anfeindungen hin. Hans Vater Julius hatte im Jahr 1911 in Coburg eine Fabrik für „keramisch-technischer-Montage-Artikel“ gegründet[7], die er 1929 in ein Handelsunternehmen für keramisch-technische Isolierartikel umwandelte.[8] 1932 eröffnete Julius Klein eine Porzellangroßhandlung.[9] Die Familie lebte in dieser Zeit in einer Wohnung am Festungsberg, zuletzt in der sogenannten „Klingenburg“ an der Nordlehne.[10] Im Jahr 1932 verzogen die Kleins in eine Wohnung im Haus Callenberger Straße 18.[11]
NS-Zeit
Nach der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933 blieben Hans Klein und seine Eltern zunächst von persönlichen Schikanen und Repressalien verschont. Am 16. Februar 1935 übernahm Hans Klein, der nach der Schulzeit eine kaufmännische Lehre abgeschlossen hatte,[12] die geschäftsführende Leitung der väterlichen Porzellangroßhandlung. Julius Klein schied nicht vollständig aus: Als Kommanditist blieb er mit einer Einlage von 5.043 RM beteiligt und damit wirtschaftlich eingebunden.[13]
Mit den Nürnberger Gesetzen vom September 1935 erreichte die rechtliche Diskriminierung im Deutschen Reich eine qualitative Verschärfung. Das Reichsbürgergesetz unterschied zwischen Reichsbürgern (mit vollen politischen Rechten) und Staatsangehörigen; Jüdinnen und Juden wurden als Staatsangehörige eingestuft und verloren damit politische Mitwirkungsrechte. Das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre verbot u. a. Ehen und außerehelichen Verkehr zwischen „Juden“ und „Deutschblütigen“ sowie bestimmte Beschäftigungsverhältnisse im Haushalt. Diese Rechtslage schuf die formale Grundlage für weitere Ausgrenzungs- und Verfolgungsmaßnahmen.[14] In welchem Umfang und mit welcher Verzögerung sie sich konkret in Coburg auf die Familie Klein auswirkten, ist hier nicht im Detail belegt.
Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Verschärfungen und der zunehmend unsicheren Lebensbedingungen für Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich erwog Hans Klein die Emigration. Dieser Schritt steht im Kontext der Auswanderungsbewegung aus Deutschland nach 1933, die sich insbesondere nach 1935 verstärkte. Welche individuellen Faktoren bei Klein ausschlaggebend waren, lässt sich auf Basis der vorliegenden Informationen nicht abschließend bestimmen.
Flucht
Im Oktober 1937 verließ Hans Klein Coburg und emigrierte nach Kolumbien, wo er sich in Medellín niederließ.[15] Die Porzellangroßhandlung wurde fortan von seiner Mutter Klara weitergeführt.[16] Das Unternehmen existierte bis Ende 1938 und musste im Rahmen der Verordnung „zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938 zwangsweise geschlossen werden.[17]
Kolumbien gehörte in den späten 1930er Jahren nicht zu den Hauptaufnahmeländern für aus Deutschland fliehende Jüdinnen und Juden. Die Migrationspolitik war in dieser Zeit von gleichzeitigen Anwerbe- und Restriktionsimpulsen geprägt: Einerseits verband die Regierung wirtschaftliche Erwartungen mit europäischer Zuwanderung, andererseits wurden die Einreisevoraussetzungen schrittweise verschärft (z. B. Nachweise der wirtschaftlichen Selbstständigkeit, restriktivere Visaprüfungen). Häufig waren Bürgschaften, persönliche Kontakte oder Unterstützung durch jüdische Hilfskomitees erforderlich. Dass Klein 1937 nach Kolumbien gelangte, ist als Einzelfall im Rahmen dieser allgemeinen Bedingungen zu verstehen.
Die Eltern von Hans Klein blieben in Deutschland. 1941 wurden sie in das Lager Riga-Jungfernhof deportiert und ermordet.[18]
Auswanderung und Leben in die USA
Hans Klein hielt sich nicht dauerhaft in Kolumbien auf. Im September 1948 reiste er per Schiff über Miami, Florida in die Vereinigten Staaten ein[19] und nahm in Chicago Wohnsitz.[20] Ab Juni 1949 führte er den Rufnamen „Harry“. Der bisherige Vorname „Hans“ blieb als Zweit-/Mittelname bestehen.[21] 1954 erhielt er durch Einbürgerung die US-Staatsbürgerschaft.[22]
Parallel bemühte sich Klein um eine Entschädigung bzw. Rückerstattung aus dem Nachlass seiner ermordeten Eltern. Der geltend gemachte Nachlass umfasste nach den vorliegenden Angaben u. a. ein Sparkonto bei der Bayerischen Staatsbank, Gold, Silber, Schmuck, Wertgegenstände, die Wohnungseinrichtung, eine Lebensversicherung sowie ein Bargeldvermögen von 1.150 Reichsmark. Das Wiedergutmachungs-/Rückerstattungsverfahren wurde 1974 zugunsten Kleins abgeschlossen.[23]
In den USA heiratete Klein Lotte Bloomfield, geborene Rosenthal. Die Ehe blieb kinderlos.[24]
Tod
Harry Hans Klein starb am 2. November 1988 im Alter von 75 Jahren in Evanston, Illinois, einer Stadt nördlich von Chicago.[25] Er wurde auf dem Jewish Cemetery in Bloomington, Illinois beigesetzt.[26]
Quellen- und Literaturverzeichnis
[1] Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg vom 27.11.1912; Siehe auch: Stadtarchiv Coburg, Einwohnermeldekarte Klein, Hans.
[2] Stadtarchiv Bamberg, 125_10 Klein Geburtsregistereintrag 612_1876_Julius Klein (C 11 + 10000) vom 7. August 1876; Siehe auch: Einwohnermeldekarte Klein, Julius und Klara.
[3] Staatsarchiv Coburg: AG Co. 39735, fol.6; Siehe auch: Einwohnermeldekarte Klein, Julius und Klara.
[4] Zusammenfassung von Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001.
[5] Staatsarchiv Coburg: Schuljahresberichte Ernestinum 9. Bericht über das Schuljahr 1924/25, S.10.
[6] Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001, S. 247 (Beispiel: Esther Hirschfeld); S. 252f. (Beispiel: Hildegard Reinstein); S. 266f. (Beispiel: Max G. Löwenherz); S. 287 (Beispiel: Hans Morgenthau); S. 292 (Beispiel: Gertrude Mayer); S. 307 (Beispiel: Siegbert Kaufmann).
[7] Adress-Buch für die Herzogliche Residenzstadt Coburg 1911. Die Städte Neustadt und Rodach sowie angrenzende Ortschaften, Coburg [1911], S.39.
[8] Vgl.: Staatarchiv Coburg: Gewerbekarte, Klein, Julius Nachfahren_2.; Vgl. auch: „Coburger Zeitung“, Nr.246, vom 19. Oktober 1929.; Vgl. auch: Karl, Eva: „Coburg voran!“. Mechanismen der Macht – Herrschen und Leben in der „ersten nationalsozialistischen Stadt Deutschlands“, Regensburg 2025, S.598f.
[9] Stadtarchiv Coburg: Einwohnerkartei, Klein, Julius und Klara.; Vgl. auch: Stadtarchiv Coburg: Gewerbekarte Klein, Julius.; Vgl. auch: Karl: „Coburg voran!“, S.598 (Fn.436), S.778.; Vgl. auch: Adreßbuch Coburg mit den Städten Neustadt und Rodach und dem ganzen Coburger Land 1934, Coburg [1934], S.79.
[10] Stadtarchiv Coburg, Einwohnermeldekarte Klein, Hans.
[11] Ebd.
[12] Stadtarchiv Coburg: Einwohnerkartei, Klein, Hans.
[13] Stadtarchiv Coburg: Gewerbekarte, Julius, Klein.
[14] RGBl 1935 I, S.1333f.,1146.
[15] Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Hans, Klein.
[16] Vgl.: Eva: „Coburg voran!“, S.778.; vgl. auch: Vgl. auch: Stadtarchiv Coburg, A 11.291, fol. 26.
[17] RGBl. I 1938, S. 1902.
[18] Fromm, Coburger Juden, S. 132.
[19] U.S. National Archives and Records Administration; Maryland, Flexoline Index Data File, 1940-1955.
[20] National Archives Chicago; Petitions For Naturalization, 1906-1991; NAI-Nummer: M1285; Titel des Aufzeichnungssatzes: Records of District Courts of the United States, 1685-2009; Nummer des Aufzeichnungssatzes: Rg 21.
[21] Ancestry.com. USA, Sozialversicherungsindex, 1936-2007 [Datenbank online]. Provo, UT, USA: Ancestry.com Operations, Inc., 2015; Ancestry.com. Northern District, Illinois, USA, Einbürgerungsindex, 1926-1979 [Datenbank online]. Lehi, UT, USA: Ancestry.com Operations, Inc., 2017.
[22] National Archives at Chicago; Chicago, Illinois; Archivtitel: Petitions For Naturalization, 1906-1991; NAI-Nummer: M1285; Titel des Aufzeichnungssatzes: Records of District Courts of the United States, 1685-2009; Nummer des Aufzeichnungssatzes: Rg 21;
[23] Staatsarchiv Nürnberg, Wiedergutmachungsbehörde III, N 3203.
[24] Chicago Tribune von 5.11.1988.
[25] Hans Klein, in: Find a Grave (https://de.findagrave.com/memorial/137428945/hans-klein (Öffnet in einem neuen Tab)), augerufen am 24.10.2025.
[26] Ebd.
Patenschaft
Die Patenschaft über den Stolperstein von Harry Hans Klein hat Barbara Halusa übernommen.
