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Stadt Coburg

Stolperstein

Erna Hilde Ludwig, verh. van Koppelen

Inhalt

  1. Biographie
  2. Wachsender Antisemitismus
  3. Flucht und Heirat
  4. Deportation und Ermordung
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Erna Hilde Ludwig (ki-bearbeitet)

Erna Hilde Ludwig kam am 26. Juli 1912 in Coburg zur Welt.[1] Ihr Vater Nathan Ludwig (Öffnet in einem neuen Tab) wurde am 12. Oktober 1871 in Gleicherwiesen (Herzogtum Meiningen) geboren, ihre Mutter Bella Ludwig, geborene Kahn (Öffnet in einem neuen Tab), kam am 16. Februar 1888 in Simmershausen (Herzogtum Meiningen) zur Welt. Anneliese hatte eine Schwester: 

Wachsender Antisemitismus

Das Wohnhaus der Familie Ludwig in der Gartenstraße

Das Leben der Coburger Juden änderte sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges fast schlagartig. Viele machten für die Niederlage und das daraus resultierende wirtschaftliche und politische Chaos die Juden verantwortlich. So waren es zunächst Flugblätter, Zeitungsartikel, Plakate und Vorträge, die ab 1919 gegen die vermeintlichen Schuldigen für die Misere hetzten. Dies bildete die Basis für die späteren Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung. In einer ersten Stufe, welche nach der Machtübernahme der Coburger Nationalsozialisten im Jahr 1929 einsetzte, nahmen zunächst die Sachbeschädigungen gegen jüdisches Eigentum und Körperverletzungen gegen einzelne jüdische Bürger massiv zu. Die Juden ihrerseits versuchten sich in dieser Phase mit Anzeigen und Gerichtsprozessen zur Wehr zu setzen. Gebracht hat dies allerdings nichts. In dieser Zeit verließen auch viele Juden die Vestestadt. Umfasste die jüdische Gemeinde 1925 noch 316 Personen, so sank deren Zahl bis 1933 auf 233 ab.[2]

Erna Hilde Ludwig erlebte diese Entwicklung in ihrer Jugendzeit mit. Sie ging ab 1918 in Coburg zur Schule. Mit 16 Jahren geriet ihre Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Über das Vermögen ihres Vaters Nathan wurde 1929 ein Konkursverfahren eröffnet.[3] Zwar blieb nach Abschluss des Verfahrens das Geschäft des Vaters, eine Viehhandlung, weiterhin bestehen. Die Geldprobleme konnten aber nicht gelöst werden. So verkaufte Nathan Ludwig wohl aus diesem Grund im Jahr 1932 sein Haus Brückenstraße 3 (heute Gartenstraße 3).[4] Erna Hilde, die seit ihrem 7. Lebensjahr dort lebte, konnte aber dort mit ihrer Familie wohnen bleiben.[5]

Flucht und Heirat

Bereits Anfang Dezember 1934 flüchtete Erna Hilde Ludwig vor den Repressalien der Nationalsozialisten nach Amsterdam.[6] Dort heiratete sie am 4. November 1936 den Handlungsgehilfen Louis van Koppelen.[7] Er war ebenfalls Jude und wurde am 16. Dezember 1912 in Rotterdam geboren. Ihre Schwiegereltern hießen Alexander van Koppelen und Saartje van Koppelen, geborene Kloots. Beide wurden 1943 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Erna Hilde und Louis van Koppelen hatten eine Tochter: Sara, geboren am 14. September 1936 in Amsterdam.[8] In dieser Zeit übernahm Erna Hilde die damals übliche Rolle als Hausfrau und kümmerte sich um ihre Tochter. Später zog die junge Familie nach Den Haag.[9]

Deportation und Ermordung

Meldekarte des Judenrates von Amsterdam von Erna Hilde van Koppelen

Im Mai 1940 erlebte Erna Hilde van Koppelen mit ihrer Familie den Einmarsch der Wehrmacht in die Niederlande. Infolgedessen führten die deutschen Besatzer ihre antijüdischen Gesetze auch dort ein.[10] Ab Januar 1941 mussten sich sämtliche Juden bei ihren Gemeinden registrieren lassen. Ziel dieser Erfassung war es, alle Juden aus aus dem Land zu entfernen.[11] Am 19. Mai 1941 gab Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart schließlich bekannt, dass die Niederlande in Zukunft „judenfrei“ sein sollten.[12] Ab Juli 1942 begann die Besatzungsmacht damit, die niederländischen Juden in Massen zu deportieren.[13] Dies geschah unter dem Deckmantel des Arbeitseinsatzes im Osten. Diese Täuschung diente dazu, die wahre Absicht der Deportationen, nämlich den Holocaust, zu verschleiern und etwaigen Widerstand zu minimieren. Dennoch gab es Juden, die diese Täuschung durchschauten und versuchten, unterzutauchen. Zu diesem Kreis gehörte offensichtlich auch die Familie van Koppelen. Doch die Polizei konnte sie relativ schnell ausfindig machen. Am 18. August 1942 wurde Louis van Koppelen verhaftet und zwei Tage später, zusammen mit seiner Familie, in das Durchgangslager Westerbork eingeliefert.[14] Von dort aus erfolgte am 21. August ihr Weitertransport ins Konzentrationslager Auschwitz. Neben der Familie van Koppelen waren 1005 weitere Juden mit dem Transportzug T-21-8-42 nach Polen deportiert worden. Der Zug kam am 22. August im Konzentrationslager an. Allerdings mussten die Deportierten eine Nacht im Zug ausharren, bis sie in den frühen Morgenstunden des 23. August aus den Waggons getrieben und „selektiert“ wurden.[15] Für die Familie van Koppelen bedeutete die „Selektion“ die endgültige Trennung. 

Louis van Koppelen wurde dabei als arbeitsfähig eingestuft und musste Zwangsarbeit verrichten. Er überlebte den Holocaust.[16] Als arbeitsunfähig galten Personen über 50 Jahre, Kinder unter 16 Jahren sowie Mütter mit kleinen Kindern. Zu dieser letzten Gruppe zählten Erna Hilde van Koppelen und ihre 5-jährige Tochter Sara. Beide wurden unmittelbar nach der Selektion der sogenannten Sonderbehandlung zugeführt und vergast.[17]

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]  "Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg" vom 07.08.1912, S. 347.

[2]  Zusammenfassung von Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001.

[3]  "Coburger Zeitung" vom 15.06.1929.

[4]  Helmut Wolter. Das Häuserbuch der Stadt Coburg. Bd. 7, Bärenholzweg, Baumschulenweg, Beerhügel, Bergstraße, Bertelsdorfer Weg, Blumenstraße, Brauhof, Brückenstraße, Regensburg 2010, S. 118.

[5]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Ludwig, Nathan und Bella.

[6]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Ludwig, Erna Hilde.

[7]  Ebd. 

[8]  Kartei des Judenrats von Amsterdam, v. Koppelen; Sara, in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130323430 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024.

[9]  Kartei des Judenrats von Amsterdam, v. Koppelen-Ludwig, Erna H., in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130323423 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024.

[10]  Zusammenfassend bei Katja Happe, Viele falsche Hoffnungen. Judenverfolgung in den Niederlanden 1940–1945, Paderborn 2017, S. 46-99.

[11]  Jacques Presser, Ondergang: De vervolging en verdelging van het Nederlandse Jodendom 1940–1945. Staatsuitgeverij/Martinus Nijhoff, Den Haag 1965, S. 64.

[12]  Gerard Aalders, Roof. De ontvreemding van Joods bezit tijdens de Tweede Wereldoorlog. Sdu, 1999, S. 331.

[13]  Happe, S. 102. 

[14]  Dokumente des Konzentrationslagers Auschwitz, Inhaftierungsdokumente, in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130830727 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024; Kartei des Judenrats von Amsterdam, v. Koppelen-Ludwig, Erna H., in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130323423 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024.

[15]  Kartei des Judenrats von Amsterdam, v. Koppelen-Ludwig, Erna H., in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130323423 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024; Transport 21.08.1942, in: Familie Tenhumberg (http://www.tenhumbergreinhard.de/transportliste-der-deportierten/transportliste-der-deportierten-1942/transport-21081942-westerbork.html (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024.

[16]  Kartei des Judenrats von Amsterdam, v. Koppelen, Louis, in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130323427 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024.

[17]  Kartei des Judenrats von Amsterdam, v. Koppelen; Sara, in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130323430 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024; Kartei des Judenrats von Amsterdam, v. Koppelen-Ludwig, Erna H., in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130323423 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024.

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Erna Hilde Ludwig, verh. van Koppelen hat Dr. Joachim Rückert übernommen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Stadt Coburg
  • Christian Boseckert
  • Arolsen Archiv (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130323423)
  • Stadt Coburg
  • Stadtarchiv Coburg
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  • Stadtarchiv Coburg