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Zwischen 1863 und 1914 erlebte die jüdische Gemeinde eine ruhige Zeit. Dies änderte sich nach dem Ersten Weltkrieg. Viele gaben den Juden die Schuld an Deutschlands Niederlage und dem daraus entstandenen politischen und wirtschaftlichen Chaos. Sehr früh schon begann mittels antisemitischen Flugblättern, Plakaten, Zeitungsartikeln und Vorträgen eine Hetze gegen die vermeintlichen Übeltäter. Hier bildeten sich die Grundlagen für die späteren Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung heraus.
In einer ersten Stufe, die 1929 mit der Machtübernahme der Coburger NSDAP einsetzte, nahmen die Sachbeschädigungen und andere Übergriffe gegen jüdischen Besitz sowie Körperverletzungen von Juden massiv zu. Eine neue Stufe antisemitischer Gewalt erlebte Coburg dann nach Hitlers Machtergreifung. Im März und April 1933 verhafteten SA-Männer, die sich selbst als „Not-Polizisten“ bezeichneten und als Unterstützung für die reguläre Stadtpolizei eingesetzt worden waren, neben politischen Gegnern auch jüdische Bürger und brachten sie in die berüchtigte „Prügelstube“. Diese „Stube“ befand sich im Gebäude der Stadtpolizei in der Rosengasse 1. Dort wurden nach und nach 40 Juden inhaftiert und gefoltert. Eingeleitete Strafverfahren gegen die „Notpolizisten“ stellte die Justiz schnell ein.
Nach 1933 ebbte die Welle der Gewalt wieder ab. Erst 1938 kam es im Zuge der Reichspogromnacht zu einem neuen Gewaltausbruch, bei dem ein Mensch ums Leben kam. Andere Juden wurden durch die Stadt getrieben und auf dem Markt an den Pranger gestellt. Die letzte Phase antisemitischer Gewalt stellten schließlich ab 1941 die Deportationen der Coburger Juden in Ghettos und Konzentrationslager dar. Von den 36 Deportierten kehrten nur zwei Frauen wieder zurück.
Das Polizeigebäude wurde 1937 abgerissen und durch den heutigen Bau ersetzt. 1951 kamen die politischen Verantwortlichen und neun „Notpolizisten“ wegen den der Misshandlungen in der Prügelstube vor Gericht. Von den 14 Angeklagten erhielten fünf eine Haftstrafe.
Das Grauen in Worten
„...auch das fürchterliche Schreien […] und das Klatschen der Peitschen gehört.“
„...jedesmal ein Grauen gepackt, als er die Blutlachen, die Blut- und Kotspritzer am Boden und an den Wänden sah.“
„...ist fast an jedem Tag mindestens einmal mißhandelt worden“.
„Er war völlig zerschlagen, besonders sein Gesicht. Sein Anzug war völlig zerfetzt.“
„...bei seiner Auspeitschung gebrüllt habe, wie er noch nie ein Tier habe brüllen hören.“
„...so geprügelt worden, daß er dann an zwei Stöcken gehen musste.“
„Er versuchte […] in seiner Verzweiflungsstimmung die Pulsadern zu öffnen.“
(Zitate aus: Fromm, Coburger Juden², S. 62-67)
Nächste Station
Im 19. Jahrhundert kehrten Juden nach Jahrhunderten erstmals nach Coburg zurück. Trotz anfänglicher Gleichstellung wurden sie später entrechtet, verfolgt, deportiert – die Gemeinde erlosch 1942 vollständig.
Über den Erinnerungsweg
Der Erinnerungsweg „Jüdisches Leben in Coburg“ erinnert in 14 Stationen an die jüdische Gemeinde Coburgs. Die Stationen erstrecken sich von der Integration in die Coburger Stadtgesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zur Vernichtung nach der frühen Machtergreifung der Nationalsozialisten.
Coburgerinnen und Coburger jüdischen Glaubens waren viele Jahrzehnte Teil der Stadtgemeinschaft. Durch den Nationalsozialismus wurden die jüdische Gemeinde und ihre Mitglieder in Coburg ausgelöscht. Sie mussten fliehen oder wurden ermordet. Es liegt in unserer Verantwortung, die Erinnerung an ihr Wirken und ihr Leiden in der Stadt Coburg lebendig zu erhalten.
Der Stadtrat der Stadt Coburg hat daher 2023 beschlossen, mit einem Erinnerungsweg dem jüdischen Leben in Coburg zu gedenken. Der Erinnerungsweg wurde am 31. Juli 2025 feierlich eingeweiht.